Verkäufermarkt wird Käufermarkt
Immobilienexperte Stefan Sieger äußert sich zur Trendwende
Mit der Energiekrise und der Zinsentwicklung verändert sich auch der Immobilienmarkt. Wie sich die Veränderung für wen bemerkbar macht, dazu äußert sich Stefan Sieger, seit mehr als 20 Jahren erfolgreicher Immobilienexperte, Coach, Investor, Anleger und Geschäftsführer von Sieger & Sieger Immobilien in Troisdorf:
Troisdorf liegt ja ziemlich genau zwischen Köln und Bonn und ist mit knapp 75.000 Einwohnern keine kleine Stadt, aber wir merken, dass sich hier das Angebot inzwischen ungefähr vervier- bis verfünffacht hat. Jeden Tag kommen neue Immobilien auf den Markt und die Konkurrenz wird größer. Die Zinsen steigen deutlich an. Das bedeutet, der normale Käufer kann einfach nicht mehr so viel für die Immobilie bezahlen.
Wir verfolgen natürlich auch fast täglich die Immobilienbörsen und auch da sehen wir bei Kollegen bzw. Verkäufern bereits entsprechende Kaufpreissenkungen. Das war bei uns im Hause jetzt auch schon ein bis zwei mal notwendig, wenn z.B. die betroffenen Immobilien schon länger im Vertrieb waren und wir noch aus einer anderen Zinssituation gekommen sind. Also meine Meinung ist, dass sich der Käufermarkt entsprechend so verändert, dass wir in den nächsten sechs bis neun Monaten bis zu 30 Prozent niedrigere Kaufpreise am Markt sehen werden.
Was verändert sich für Eigennutzer?
Der Privatmarkt hat sich in kurzer Zeit extrem verändert. Die Zinsen liegen hier ja mittlerweile schon bei vier bis viereinhalb Prozent und das hat eine direkte Auswirkung, weil sich die Annuität fast verdoppelt. Wenn bis vor kurzem jemand 1500 Euro für einen Kredit bezahlt hat, kostet dieser jetzt 3000 Euro und das nimmt natürlich unmittelbar Einfluss darauf, ob die Leute überhaupt noch kaufen können oder nicht. Wir haben deshalb im Privatmarkt schon ca. 50 Prozent weniger Nachfrage und einige Kunden, die inzwischen auch ihre Suchaufträge gelöscht haben.
Diejenigen, die momentan noch kaufen können, selektieren dafür sehr bedacht, denn im Umkehrschluss hat sich das Angebot stark vergrößert. Dadurch sind einfach die Auswahl vielseitiger und die Ansprüche höher geworden. Wir bekommen tagtäglich Anrufe von Verkäufern, die ihre Immobilien jetzt noch verkaufen möchten. Da ist oft auch schon ein bisschen Angst vor weiter sinkenden Kaufpreisen im Spiel, wenn die Zinsen noch weiter steigen. Die meisten Leute, gerade Privatverkäufer, verstehen, dass in dieser veränderten Situation schnelles Handeln geboten ist. Eine Immobilie privat auf den Markt zu werfen in der Hoffnung, dass sich ein Käufer findet, ist da nicht die beste Strategie. Wir beobachten sehr deutlich, dass der Markt sich Richtung Immobilienmakler verändert.
Welche Objekte sind besonders beliebt?
Als Objekte immer noch gefragt sind z.B. klassische Einfamilienhäuser, Reihenhäuser oder Eckhäuser. Man muss sich vorstellen: Interessenten, die vor sechs Monaten noch 800.000 Euro oder 900.000 Euro finanzieren konnten, können jetzt vielleicht noch 500.000 Euro finanzieren. Sie rutschen bei ihrer Suche also in eine andere Kategorie und ich glaube, dass ein Marktsegment, das auch zukünftig gut gehen wird, genau zwischen 400.000 Euro und 500.000 Euro liegt. Dabei ist es meiner Meinung nach eher eine Preisfrage als eine Frage des Haustyps. Ob es ein Eckhaus ist oder ein Reihenhaus, spielt eher eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist auch der Zeitpunkt, denn wenn die Zinsen erst einmal bei fünf, sechs oder sieben Prozent sind, ist ein Kauf für viele gar nicht mehr möglich.
Außerdem schauen Käufer sich natürlich auch ganz aktiv die Veränderungen des Gas- und Elektromarktes an und interessieren sich für die Verbrauchswerte des vorherigen Eigentümers. Der Energieausweis hat ebenfalls eine viel größere Bedeutung. Modernisierte Immobilien oder Immobilien mit aktueller Technik wie z.B. einer Wärmepumpe oder besseren Dämmung sind besonders gefragt.
Bei Häusern aus den 50ern, 60ern oder 70ern, wo vielleicht keine Dämmung oder noch eine alte Heizung verbaut ist, kommen potentiell hingegen hohe Investitionen auf die Käufer zu. In diesen Immobilienklassen sind wahrscheinlich die größten Abschläge möglich.
Was verändert sich für Investoren?
Wenn wir uns den Kapitalmarkt mal anschauen, stellen wir fest, dass auch der sich natürlich ganz ordentlich verändert. Schätzungsweise 20 Prozent mehr ist momentan auf den Märkten verfügbar. Wir sehen also auch hier ein deutlich größeres Angebot. Im Gegensatz zum Privatmarkt gibt es aber auch einige Unterschiede.
Manch einer, der jetzt z.B. sein Mehrfamilienhaus verkauft, seine Halle, Anlage oder wie auch immer, hat die Pandemie vielleicht gerade so überlebt und schlittert jetzt in die Energiekrise. Das ist natürlich eine ganz andere Situation als die komfortable Lage, in der jemand eigentlich nicht verkaufen muss und die Chance nur für einen guten Preis ergreifen möchte. Hier haben wir es mit einer Drucksituation zu tun und da ist natürlich jeder – auch auf der Käuferseite – gut beraten, sich vorzubereiten. Als Käufer ist man in dem Fall eine Art Problemlöser, aber man muss schnell sein und agieren können.
Gerade durch die veränderte Zinssituation empfiehlt sich ein enger Kontakt mit der Bank, um kurzfristig eine Finanzierung zu erhalten, denn momentan gilt: Cash is King. Eigenkapital ist jetzt wichtiger denn je, weil natürlich auch die Banken ihre Finanzierungsmodelle verändert haben und nun zehn bis 20 Prozent Eigenkapital verlangen.
Welche Preisabschläge sind möglich?
Preisabschläge sind eine sehr individuelle Angelegenheit. Das ist oft abhängig davon, wie groß der Verkaufsdruck ist. Bei drohender Insolvenz und einer Frist von einer Woche bis zum Notartermin, sind vielleicht mal 10, 20 oder sogar 30 Prozent schneller Marktabschlag möglich.
Insgesamt ist aber die veränderte Marktsituation bei der Kapitalanlage nicht so dramatisch, denn wir haben ja nicht mit geminderten Kaltmieten zu tun. Die sind immer das wichtigste Kriterium bei der Bewertung einer Kapitalanlage. Genau an dem Punkt hat sich aber im Gegensatz zum Privatmarkt nicht viel verändert. Dort sinken die Preise, weil sich die Zinsen nun mal nicht steuerlich ansetzen lassen, was für Kapitalanleger tendenziell eher möglich ist. Aus diesem Grund sind für sie aber auch die möglichen Abschläge nicht so groß, es sei denn, es ist eine ganz spezielle Situation. Auch als Käufer ist es daher ratsam einen guten Austausch zu seinem Immobilienmakler zu pflegen, einen aktiven Suchauftrag und alle Unterlagen griffbereit zu haben, um schnell handeln zu können. So erfährt man als erstes von einer günstigen aber kurzfristigen Chance und kann als Problemlöser für den Käufer einen Preisabschlag für sich selbst erzielen.